“Die Invasion der Yogis” – Yoga Vidya im Radio

Die Invasion der Yogis
Im Kurort Bad Meinberg befindet sich Europas größtes Yogazentrum
Von Mandy Schielke

Das über tausendjährige Bad Meinberg liegt am Rande des Teutoburger Waldes und ist ein anerkannter Kurort. Rheuma, Gicht, Frauen- und Nervenleiden werden hier seit 200 Jahren behandelt. Der Ort hat knapp 5000 Einwohner und lebt von seinen Kurgästen. Die kommen inzwischen allerdings viel seltener für Schlammpackungen und Massagen.

Der moderne Kurgast will unter Anleitung Energie zwischen die eigenen Schulterblätter schicken und in der Position des abwärtsgerichteten Hundes Glücksgefühle spüren. Kurz gesagt, wer in den Kurort fährt, will nicht selten meditieren und Yoga üben. Glück besteht hier zudem darin, kein Fleisch zu essen und auf Alkohol und Zigaretten zu verzichten.

Mittlerweile gilt Yoga Vidya in Bad Meinberg als das größte Yogazentrum Europas.

2 Kommentare zu ““Die Invasion der Yogis” – Yoga Vidya im Radio

  1. Sukadev

    Das Original-Manuskript findest du unter http://www.dradio.de/download/138401/

  2. Rafaela

    Deutschlandradio Kultur

    Deutschlandrundfahrt

    Die Invasion der Yogis

    Im nordrhein-westfälischen Bad Meinberg befindet sich Europas größtes Yogazentrum

    Von Mandy Schielke

    Sendung: 14. Mai 2011, 15.05h

    Ton: Alexander Brennecke
    Regie: Roswitha Graf
    Redaktion: Ulf Dammann

    Produktion: Deutschlandradio Kultur 2011

    Kennungsmusik, darüber

    O-Ton Eberhard Block:
    Der Teutoburger Wald hat eine ausgesprochen schöne Landschaft und wir haben
    hier sehr gute Wasserwerte, sehr gute Luftwerte. Nicht ohne Hintergrund ist das ja
    auch der Heilgarten Deutschlands.

    O-Ton Kay
    Vielleicht ist es für manch einen sogar besser, nicht immer eine große Reise zu
    machen und vor sich selbst zu fliehen, sondern in ein Zentrum zu gehen, wo man
    doch in einem westlichen Rahmen, einem westlichen Standard trotzdem andersartige
    Kultur erleben kann und sich hineindenken kann.

    O-Ton Marion:
    Ich habe irgendwie zu Yoga Vidya gefunden. Ich hatte vorher schon durch
    Zeitschriften, durchs Internet eine Schule, eine Richtung gesucht, wo ich meine
    Yogapraxis vertiefen, intensivieren kann, auch den philosophische Weg, und bin zu
    Yoga Vidya gekommen.

    O-Ton Sukadev:
    Wir gehören ja zu Bad Meinberg und das ist uns auch sehr wichtig, dass wir keine
    eigenständige Stadt bilden.

    Sprecher:
    Die Invasion der Yogis. Im nordrhein-westfälischen Bad Meinberg befindet sich
    Europas größtes Yogazentrum. Eine Deutschlandrundfahrt mit Mandy Schielke.

    O-Ton Marion:
    Kommt zunächst in Tadasana, die Berghaltung.

    Sprecher:
    YOGA MIT MARION – DER SONNENGRUSS

    O-Ton Marion:
    Die Beine und Füße sind ganz geschlossen. Bringt die Schulterblätter zusammen,
    lasst die Schultern nach hinten unten fließen. Der Kopf ist in der Mitte, ihr könnt den
    Beckenboden leicht nach vorn schieben.

    Autorin:
    Es ist halb zehn Uhr morgens, die Yogaklasse macht sich im Durga-Raum – benannt
    nach einer hinduistischen Göttin – bereit für die Sonnengrüße. Sechzehn Frauen in
    bequemer Baumwollkleidung stehen am vorderen Rand ihrer Yogamatte. Sie sind
    unterschiedlichen Alters und haben nichts mit den Frauen gemein, die man aus den
    schicken Yogastudios in München oder Berlin kennt. Die Frauen, die die
    Yogalehrerin Marion fest im Blick hat, haben unlackierte Nägel, ungeschminkte
    Gesichter und garantiert keine gemachten Brüste.

    O-Ton Marion:
    Einatmen, rechtes Bein zurück, der Blick geht nach vorn. … Linkes Bein zurück.
    Schiefe Ebene. Ausatmen, Knie, Brustbein, Kinn senken.

    Autorin:
    Synchronisiert mit ihrem Atem fließen die Yogaschülerinnen durch die Bewegungen,
    strecken ihren Po in die Höhe, in die Position des abwärts schauenden Hundes,
    senken ihren Körper wie zum Liegestütz, legen sich auf den Boden und biegen dann
    ihren Oberkörper nach oben. Marion, die Yogalehrerin, gibt den Takt vor.

    O-Ton Marion:
    Einatmen, kommt in die Kobra, atmet aus, kommt in den Hund, Fersen Richtung
    Boden drücken…Schulterblätter zusammen…

    Sprecher:
    ANKUNFT IM YOGAZENTRUM

    Atmo:
    Auto

    Autorin:
    Wer sich dem Yogazentrum in Bad-Meinberg am Rande des Teutoburger Waldes
    zum ersten Mal nähert, ist wahrscheinlich erst einmal enttäuscht. Riesige Kästen aus
    grauem Beton am Waldrand, davor ein asphaltierter Parkplatz. So sieht garantiert
    kein einziger Ashram, kein Yoga-Tempel in Indien aus, schwirrt es einem
    zwangsläufig durch den Kopf. Und dieser Funktionsbau soll ein Ort für innere Einkehr
    und Yoga sein? Ein Ort, an dem man vielleicht sogar auf eine spirituelle Erfahrung
    hoffen darf?

    O-Ton Sukadev:
    Das sind drei alte Kurkliniken, die im 70er-Jahre-Stil gebaut sind, architektonisch
    vielleicht nicht die größten Meisterwerke, obgleich nicht 0815-Gebäude. Das eine
    Gebäude, das haben wir dann auch als erstes erworben, ist pyramidenförmig, das
    haben wir Chakrapyramide genannt. Sieben Stockwerke symbolisieren sieben Stufen
    der Entwicklung des Menschen … und das fanden wir auch von der Symbolik sehr
    schön.

    Autorin:
    Volker Bretz ist der Chef des Yogazentrums. Er trägt ein leuchtend gelbes
    Oberhemd, dazu eine weiße, luftige Hose und Badelatschen. Sein graumeliertes
    Haar ist kurz geschnitten, auf seiner kleinen Nase sitzt eine schlichte Brille. In der
    Yoga-Welt nennen ihn alle Sukadev. Das ist sein spiritueller, indischer Name. “Engel
    der Wonne”. Man kann seinen Lehrer um einen spirituellen Namen bitten, erklärt der
    Yogameister. Er habe diesen Namen vor dreißig Jahren von seinem Lehrer in den
    USA erhalten. Nur noch für seine Eltern, seine Geschwister, Geschäftspartner oder
    Journalisten trägt er seinen bürgerlichen Namen.
    Als Volker Bretz vor neun Jahren nach einem Ort für ein neues Yogazentrum suchte,
    klickten sich seine Sevaka und er monatelang durchs Internet. Dann fanden sie
    diese leer stehende Immobilie am Rand der Kurstadt Bad Meinberg, vierzig Kilometer
    von Bielefeld entfernt. Die Kurkliniken standen zu diesem Zeitpunkt schon mehrere
    Jahre leer. Wie in einer Geisterstadt war das, erinnert sich der Chef des Yoga-
    Zentrums.

    Atmo: 17
    in der Lobby

    O-Ton Sukadev:
    Ich hatte so eine Vision, dass es einen Ort geben würde, wo tausend Menschen
    Yoga praktizieren würden. Da war dann klar, diese drei Kliniken zusammen, das
    könnten die tausend sein. Als wir 2003 eingezogen sind, sind wir erst einmal mit 35
    Menschen eingezogen, die hier fünf Monate lang renoviert haben, gestrichen haben,
    das Haus schön gemacht haben. Dann hatten wir 2004 erst einmal 150 Gästebetten.
    Wir hatten im ersten Jahr um die 15000 Übernachtungen, dann hat sich das
    schrittweise gesteigert. Bis 2008 sind wir dann auf 50.000 Übernachtungen
    gekommen.

    Autorin:
    Der 48-Jährige steht in der Lobby der alten Kurklinik, die jetzt das größte
    Yogazentrum Europas beherbergt. Helles Holz, farbige Wände,
    Jugendherbergscharme. Irgendwo brennt ein Räucherstäbchen, aus Lautsprechern,
    die in die Decke eingelassen sind, wabert Meditationsmusik. Tausend Yogis üben
    noch nicht im Haus. 450 Gäste sind derzeit da, sagt Volker Bretz. Einige machen die
    Ausbildung zum Yogalehrer, andere haben Pranayama-Kurse, Lehrgänge zu
    yogischen Atemtechniken, oder Kinderyoga-Weiterbildungen gebucht.

    O-Ton Sukadev:
    Yoga wörtlich heißt Harmonie, Einheit, Verbindung. Die Menschen, die hier sind,
    haben gemeinsam, dass sie ihr Leben irgendwie verbessern wollen und, ich glaube,
    auch eine tiefere Dimension erfahren wollen. Ich glaube, die Menschen die hier
    herkommen, die wollen ein bisschen mehr ihrem Herzen folgen. Da geht es weniger
    um Erfolg, sondern mindestens für die Zeit, die sie hier sind, ein bisschen dem
    Herzen folgen.

    Autorin:
    Ich glaube, der Mensch ist ganzheitlicher geworden, sagt Volker Bretz. Wer Yoga
    übt, wird dem nicht widersprechen.

    O-Ton Sukadev:
    Krankheiten nicht nur physisch angehen, sondern auch vom Inneren und auch vom
    Geistigen her. Menschen als Ganzes sehen. Manchmal gibt es ja auch Krankheiten,
    die sind nicht wirklich behandelbar, dann kann man aber die Einstellung dazu ändern
    und dann kann man vom Geist her etwas ändern. Manchmal passiert es sogar, dass
    wenn jemand das annimmt, dann passiert sogar die Heilung auf der physischen
    Ebene ganz unerwartet.

    Autorin:
    Ist das ein Versprechen?

    O-Ton Sukadev:
    Yoga kann keine Versprechen geben. Yoga kann Menschen sagen, Du kannst etwas
    harmonischer werden, Du kannst ein bisschen mehr zu Dir selbst kommen, Du
    kannst selbst etwas tun für Dich. Jeder der Yoga übt, wird feststellen, irgendwie
    berührt es ihn, irgendwie wird sein Leben positiver…

    Autorin:
    … harmoniereicher und vielleicht sogar glücklicher. Bei Yoga geht es um
    Konzentration, um Bewusstsein, irgendwie auch um Reinheit. Kein Fleisch, kein
    Kaffee, kein Alkohol, keine Zigaretten. Auch das gehört zur Welt von Yoga Vidya in
    Bad Meinberg. Vor acht Uhr morgens und nach zehn Uhr am Abend soll
    geschwiegen werden.

    MUSIK 1:
    Titel: Sky Fits Heaven
    Interpret: Madonna
    Komponist/Text: Madonna, Patrick Leonard
    Plattenlabel: Warner Bros. Records, LC-Nr. 02982

    Sprecher:
    BEGEGNUNG IN DER PARALLELWELT

    Autorin:
    Bad Meinberg liegt in Nordrhein-Westfalen, am Rande des Teutoburger Waldes, und
    ist ausgewiesener Heilkurort. Rheuma, Gicht, Frauen- und Nervenleiden werden hier
    seit 200 Jahren behandelt. Bad Meinberg hat etwa 4500 Einwohner und lebte lange
    sehr gut von seinen Kurgästen. Die kommen inzwischen allerdings weitaus seltener
    für Schlammpackungen und Massagen nach Bad Meinberg. Der moderne Kurgast
    will in Bad Meinberg unter Anleitung Energie zwischen die eigenen Schulterblätter
    schicken und in der Position des abwärtsgerichteten Hundes Glücksgefühle spüren.

    Atmo
    Büro

    O-Ton Autorin / Eberhard Block:
    Herr Block, wissen Sie was der abwärts schauende Hund ist? / … Nee das weiß ich
    nicht.

    Autorin:
    Der abwärts schauende Hund ist eine Yogaposition, die in jeder Übungsstunde
    mehrmals wiederholt wird. Eberhard Block ist der Bürgermeister von Bad Meinberg.
    Er empfängt in seiner Amtsstube. Das Hochdruckwetter macht ihm zu schaffen.
    Deswegen möchte er sich auch nicht im alten Kurpark treffen, sondern lieber im
    Rathaus. Die Fenster sind geschlossen. Auf einem Tisch vor dem schweren Sofa
    steht eine Thermoskanne mit Filterkaffee. Man siezt sich und vermeidet den
    Schneidersitz. Nach zwei Tagen im Yogazentrum wirkt diese Szene wie aus einer
    anderen Welt.

    O-Ton Eberhard Block:
    Nein, ich habe bisher Yoga noch nicht praktiziert. Ich habe schon viel Interessantes
    über Yoga gehört aber selbst praktiziert habe ich nicht. Ich sage das immer so, dass
    es ein Projekt ist, das ich mir vornehme, wenn ich in den Ruhestand gehe, wohl
    dessen bewusst, dass es gut wäre, wenn ich das jetzt schon machen würde, weil es
    natürlich sehr stark entspannen würde, was ich in meinem Beruf durchaus gut
    gebrauchen kann.

    Autorin:
    Dann stellt Eberhard Block klar, dass er nicht nur der Bürgermeister von Bad
    Meinberg ist, sondern der Gemeinde Horn-Bad Meinberg vorsteht. Schon vor über
    dreißig Jahren wurden die Orte Horn und Bad Meinberg verwaltungstechnisch
    zusammengefasst. Bad Meinberg ist die kleinere Schwester, deshalb heißt die
    Kleinstadt auch nicht Bad Meinberg-Horn, sondern Horn-Bad Meinberg. Das haben
    die Bewohner Horns Anfang der 70er Jahre durchgesetzt. Trotzdem sagt niemand im
    Ort er sei Horn-Bad Meinberger, erläutert der Bürgermeister. Man sei Lipper. Darauf
    kann man sich einigen. Schließlich gehörte die Region früher zum Fürstentum Lippe.

    O-Ton Eberhard Block:
    Ich habe mich auch mit der Regionalgeschichte befasst und dabei ist deutlich
    geworden, dass diese starke Identitätsbildung mit Lippe den Hintergrund einmal hat,
    dass man eine bestimmte Konfession hier hat: Protestanten, aber reformiert. Man ist
    relativ zurückhaltend. Der zweite Aspekt: Lippe war ein deutsche Kleinstaat, der bis
    1947 Kleinstaat war und 47 erst zu Nordrhein-Westfalen gekommen ist nach langem
    Ringen, ob Lippe zu Niedersachsen geht oder zu Nordrhein-Westfalen.

    Autorin:
    Dann erzählt der 60-Jährige im grauen Anzug von der Gegend, in der er lebt.

    O-Ton Eberhard Block:
    Wir haben hier eine Bevölkerungsdichte von 200 Einwohnern pro Quadratkilometer,
    in Düsseldorf sind es 1000 pro Quadratmeter. Ein viel stärkerer
    Ressourcenverbrauch, die Grundstücke viel teurer, die Menschen wohnen viel enger
    zusammen.
    Autorin:
    Wenn man ihm zuhört, bekommt man den Eindruck, dass die Region um Bad
    Meinberg der perfekte Ort ist. Nicht so eng wie eine Großstadt, aber auch nicht so
    dünn besiedelt wie Brandenburg, wo man nach Auskunft des Bürgermeisters schon
    einmal fünfzig Kilometer unterwegs zu einem Facharzt ist. Perfekte Infrastruktur,
    perfekte Natur, hier in seiner Gegend.

    O-Ton Eberhard Block:
    Der Teutoburger Wald hat eine ausgesprochen schöne Landschaft und wir haben
    hier sehr gute Wasserwerte, Luftwerte. … Nicht ohne Hintergrund ist das ja auch der
    Heilgarten Deutschlands.

    Autorin:
    Bielefeld ist 40 Kilometer, Paderborn 20 Kilometer entfernt. Hier hätte man das nun
    wirklich nicht erwartet.

    O-Ton Eberhard Block:
    In den 50er Jahren gehörte Bad Meinberg zu den zehn größten deutschen Bädern.
    Neben den traditionellen Bädern, die es natürlich in Deutschland gibt: Bad Kissingen,
    Baden-Baden… Die Kumpel aus dem Ruhrgebiet, die Familien der Kumpel aus dem
    Ruhrgebiet, die gingen zur Erholung und zur Kur hier nach Lippe. Dadurch war Bad
    Meinberg seiner Zeit sehr stark frequentiert.

    Autorin:
    Es lief gut, Mitte der 90er Jahre hatte der Kurort Bad Meinberg eine Million
    Übernachtungen im Jahr. Irgendwann, so sagt Eberhard Block, sorgten
    Gesundheitsreformen aus Bonn dafür, dass immer weniger Kuren verordnet wurden
    und so auch immer weniger Gäste zu Mooranwendungen nach Bad Meinberg
    kamen. Die sechs Kurkliniken, die es in Bad Meinberg noch in den 90er Jahren gab,
    kämpften ums Überleben. Am Ende des Jahrzehnts waren die Übernachtungszahlen
    von einer Million jährlich auf 300.000 gesunken – ein Einbruch um siebzig Prozent.
    Vier von sechs Kurkliniken mussten geschlossen werden. Auch die drei Kurkliniken,
    die in den 70er Jahren gebaut wurden und jetzt dem Yoga-Verein gehören.

    O-Ton Eberhard Block:
    Es gab eine ganze Reihe von Überlegungen, was kann man machen? … Wir haben
    Marktstudien in Auftrag gegeben, welche Nischen sind besetzbar, wie könnte sich
    Potenzial entwickeln. Es kam aber überall raus: Entweder muss im großen Stile
    investiert werden oder es muss sich eine Zufälligkeit ergeben.

    Autorin:
    Die Zufälligkeit war schließlich der Yogaverein Yoga Vidya, der schon im Westerwald
    ein Yogazentrum betrieb. Der Verein signalisierte ernsthaftes Kaufinteresse. Für den
    Bürgermeister der Gemeinde stellten sich zunächst jedoch jede Menge Fragen.

    O-Ton Eberhard Block:
    Was ist das, Yoga Vidya? Was ist das für ein Verein, was ist das für eine Institution?
    Habe Kontakt mit der Heimatgemeinde von Yoga Vidya aufgenommen, habe mich
    auch darüber hinaus erkundigt, weil es hier auch die Fragestellung durch die Politik
    gab: Ist das eine Sekte? Ist das etwas, das möglicherweise negativ in Erscheinung
    treten könnte? Und ich bekam sowohl vom Sektenbeauftragten des Bundes als auch
    von der Heimatgemeinde eine sehr positive Auskunft.

    Autorin:
    Erste Verhandlungen. Die Chemie stimmte, erinnert sich der Bürgermeister. Er habe
    eine Offenheit gespürt, die ihn überzeugte. Der Kurverein, die Werbegemeinschaft,
    der Hotel- und Gaststättenverband – überall ist Yoga Vidya inzwischen dabei, sagt
    Block. Der Bürgermeister hält Begrüßungsreden bei Yogakongressen in der alten
    Kurklinik. Viele seiner Bekannten üben inzwischen Yoga, versichert er. Horn-Bad
    Meinberg profitiert vom größten Yogazentrum Europas. Für jeden Gast wird Kurtaxe
    gezahlt, in der Region werden massenweise Obst, Gemüse und Milchprodukte
    gekauft, die Wäscherei hat gut zu tun. Und dann sind da noch die 60.000
    Übernachtungen im Jahr, die sich der Kurort jetzt in seine Statistikbücher schreiben
    darf. Yoga Vidya hat die verwaisten Kurkliniken mit Leben gefüllt und ist zu einem
    Wirtschaftsfaktor für Bad Meinberg geworden, sagt Eberhard Block nicht ohne Stolz
    und nimmt noch einen Schluck schwarzen Kaffees.

    O-Ton Eberhard Block:
    Dann gibt Yoga Vidya der Stadt natürlich ein bestimmtes Image. Ich sehe dort
    Kennzeichen von Flensburg, aus Berlin, aus München, aus Köln bei den
    Kongressen. Das heißt, dass die Menschen, die nach Horn-Bad Meinberg kommen
    und zu Yoga Vidya kommen ein Bewusstsein für den Kurort Bad Meinberg
    ausprägen. Also unter Marketingaspekten gar nicht in Gold aufzuwiegen. …
    Der nächste Aspekt ist, dass Yoga Vidya uns zeigt, wie auch in Zeiten, in denen das
    traditionelle Gesundheitswesen große Schwierigkeiten hat, wie man Alternativen
    entwickeln kann, wie man alternative Gesundheitsangebote entwickeln kann, die die
    Menschen auch annehmen, die sie auch selbst bezahlen.

    Autorin:
    Für ihn sind die Yogis, die sich jetzt in der alten Kurklinik verbiegen Jünger einer
    Lebensphilosophie, die er zumindest interessant findet – eine Alternative zum Alltag,
    den er kennt. Das Harmoniebedürfnis, das dazu gehört, strahle aus – auch auf seine
    Gemeinde.

    O-Ton Eberhard Block:
    Wir hatten hier einen Konflikt bei der Energieversorgung von Yoga Vidya. Es war
    eine Biogasanlage geplant aber diese Biogasanlage auf einem landwirtschaftlichen
    Anwesen, die hatte das Problem, dass ein langer Zufahrtsweg von Nöten war und ein
    extra Weg nicht gebaut werden konnte aus landschaftschützerischen Gründen. Und
    die Anwohner für den Zufahrtsweg waren nicht damit einverstanden, dass dort
    massiv zu bestimmten Zeiten – also während der Erntezeit – ihre Straße stark in
    Anspruch genommen werden sollte. Dann hat Yoga Vidya gesagt, also wenn es
    einen Konflikt gibt, dann verzichten wir auf die Energieversorgung obwohl wir sie
    gern hätten, weil sie eine ökologische Energieversorgung ist. Dann haben wir uns
    alle zusammen hingesetzt und haben versucht Harmonie herzustellen. Auch aus der
    Haltung, die Yoga Vidya gezeigt hat und wir haben es hinbekommen.

    Autorin:
    Das mit der Harmonie hat den Bürgermeister also verblüfft. Für neue Arbeitsplätze
    haben die Yogis indes kaum gesorgt. Denn fast alle anfallenden Arbeiten werden von
    freiwilligen Sevakas erledigt, Menschen, die sich um den Haushalt, die Küche
    oder den Garten kümmern, dafür umsonst im Yogazentrum wohnen, essen und
    soviel Yoga üben und meditieren können, wie sie möchten, und auch so lange
    bleiben können, wie sie wollen. Etwa 120 solche Sevakas, Freiwillige, helfen im
    Yogazentrum am Rand der Stadt – temporäre Aussteiger aus der Welt, in der
    Bürgermeister Eberhard Block lebt.

    MUSIK 2:
    Titel: Jaya Jagad Ambe
    Interpret: Janin Devi
    Komponist: trad.
    Plattenlabel und LC-Nr.: o. Angabe
    http://www.studio-schmitterling.de

    O-Ton Marion:
    Wenn ihr wollt, könnt Ihr auch mit gebeugten Beinen in den Schulterstand kommen.

    Sprecher:
    YOGA MIT MARION – VINYASA, DIE BEWEGUNG

    O-Ton Marion:
    Dazu stellt dann die Füße auf. Und wenn ihr bereit seid, hebt einatmend die Beine.

    Autorin:
    Mit den Sonnengrüßen ist man im Durga-Raum jetzt fertig. Die Körper sind
    aufgewärmt, biegsamer geworden. Und obwohl die Übungen zum Teil erhebliche
    Kraftanstrengungen erfordern, schwitzt oder keucht niemand im Raum. Bewegungen
    werden gehalten und wieder aufgelöst. Leichtigkeit soll auch in schwierigen
    Positionen erreicht werden. Plötzlich spürt man diese Energie im Raum, über die
    Yogis so gern sprechen.

    O-Ton Marion:
    Und dann legt beide Knie auf der Stirn wieder ab. Kurze Entlastung für den Rücken.
    Und streckt die Beine wieder nach oben.

    Autorin:
    Marion, die Yogalehrerin trägt wie alle Sevaka im Yogazentrum ein sonnengelbes
    Oberteil. Sie ist 50 Jahre alt und das sieht man ihr wirklich nicht an. Die Haut unter
    ihren Augen ist glatt und rosig. Gesund sieht sie aus. Dafür macht sie Yoga und
    gesunde Ernährung verantwortlich.

    O-Ton Marion:
    Ich bin jetzt hier einige Woche als Mithelfer und habe die Möglichkeit zu unterrichten,
    was ich sehr spannend und interessant finde. Aber ich stehe jetzt eben auf der
    anderen Seite. Ich kenne das Ganze eigentlich nur als Schülerin und so ist das jetzt
    schon eine große Herausforderung für mich.

    Autorin:
    Seit dem es das Yogazentrum in Bad Meinberg gibt, kommt sie immer wieder hier
    her, mehrere Wochen im Jahr. Bislang hat die 50-Jährige dann immer in der Küche
    ausgeholfen. Jetzt darf sie Yoga unterrichten. In Bad Meinberg lässt sie den Alltag
    der Stenotypistin, Ehefrau und Mutter in Havelberg/Sachsen-Anhalt hinter sich, muss
    sich nicht rechtfertigen, dass sie kein Fleisch isst, und kann sich ganz auf ihre
    Yogapraxis konzentrieren. Angefangen hat sie damit vor zehn Jahren in der
    Volkshochschule. Zunächst ging es ihr um Bewegung. Doch das änderte sich
    schnell.

    O-Ton Marion:
    Für viele und die meisten Menschen, die ich kenne ist es so, wenn man erst einmal
    ein bisschen Berührung hatte mit Yoga, eine tiefere Berührung, dann lässt es einen
    einfach nicht mehr los. Ich habe irgendwie zu Yoga Vidya gefunden. Ich hatte vorher
    schon durch Zeitschriften, durchs Internet eine Schule gesucht, wo ich meine
    Yogapraxis vertiefen, intensivieren kann, auch den philosophische Weg und bin zu
    Yoga Vidya gekommen. Yoga ist nicht eine Körperpraxis, sondern es gehört das
    Mantrasingen dazu, die Meditation und all das kann man hier erfahren und leben.

    MUSIK 3: kurz hochziehen dann O-Ton darüber…
    Titel: Lokaka
    Interpret: Wah!
    Komponist: Wah!
    Plattenlabel: BMF, ohne LC-Nr.

    O-Ton Marion: 31 0.50
    Dann macht Euch bereit für die Rückbeugen…

    MUSIK 3:
    Etwa eine Minute freistehen lassen

    Sprecher:
    MIT SUKADEV HINAUF IN DEN CHAKRATURM

    Atmo:
    Lobby

    O-Ton Sukadev:
    Weißt Du ob der Aufzug kaputt ist? Ich habe keine Info bekommen.

    Autorin:
    Volker Bretz steht immer noch in der Lobby des Yogazentrums in Bad Meinberg, er
    will hinauf ins oberste Stockwerk des Betonbaus. Doch der Aufzug streikt.
    Die Dame an der Rezeption, die sich ein lilafarbenes Tuch um den Kopf gewickelt
    hat, eilt zu Hilfe, drückt ein paar Male auf einen Knopf mit Pfeil nach oben,
    vergeblich. Also Treppensteigen. Volker Bretz lächelt.

    Atmo:
    Treppe

    O-Ton Sukadev:
    Dieses Treppenhaus ist auch einer meiner Lieblingsorte. Ich geh da gern hoch und
    schau dann diesen vielen großen Yogameistern in die Augen.

    Autorin:
    An den Wänden hängen gerahmte Fotografien unzähliger Yogameister. Auch sie
    lächeln. Manche haben ausgemergelte Körper, tragen bunte Gewänder. Andere
    sitzen im Schneidersitz mit nacktem Oberkörper auf dem Boden. Die meisten
    Fotografien wurden vermutlich irgendwo in Indien aufgenommen. Darunter auch ein
    Foto von Swami Sivananda. Es ist sein hinduistisch geprägter Yogastil, der bei Yoga
    Vidya gelehrt wird.

    O-Ton Sukadev:
    Swami Sivananda lebte von 1887 bis 1963. Er war ein Arzt in Indien, der schon
    damals in den 20er Jahren in einem Krankenhaus in Malaysia Schulmedizin
    verbunden hat mit Aryuveda, also indischer Naturheilkunde und Yoga, und
    festgestellt hat, dass das sehr gut wirkt. Danach ist er zurück nach Indien, hat
    spirituelle Erfahrungen gemacht und anschließend Yoga und Aryuveda gelehrt und
    weitergegeben. Swami Sivananda war der Yogameister, der erkannt hatte, dass
    gerade im Hatha-Yoga, also im körperbetonten Yoga sehr viel liegt auch an Chance
    für den Westen, hat einige seine Schüler nach Amerika und Europa geschickt und
    manche europäischen Schüler ermutigt zu unterrichten und so ist praktisch diese
    Yogabewegung in Deutschland und auch in Europa auf Swami Sivananda
    zurückzuführen.

    Autorin:
    Der Yoga-Verein Yoga Vidya wurde vor knapp 20 Jahren in Frankfurt am Main
    gegründet. Inzwischen gibt es etwa 80 Yoga-Vidya-Zentren in Deutschland. Das in
    Bad Meinberg in Nordrhein-Westfalen ist das größte.

    O-Ton Sukadev:
    Vidya heißt Wissen, Weisheit, Wissenschaft. Und Yoga Vidya will Yoga in seiner
    großen Bandbreite lehren.

    Autorin:
    Dann ist Volker Bretz oben angekommen, vor den Seminarräumen stehen Inseln von
    Badelatschen. Sie stellen gleich auf den ersten Blick klar, welcher der insgesamt
    dreißig Übungsräume im Ashram in Beschlag genommen ist und welcher nicht. Yogis
    üben barfüßig. Schuhe müssen draußen bleiben.

    O-Ton Sukadev:
    Das ist der Sahasrara Raum, der ist ganz oben, in dem unterrichte ich ganz
    besonders gern und man hat auch einen phantastischen Blick, sowohl auf Bad
    Meinberg wie auch in den Silvaticum Park wie auch in die Felder. Und irgendwie hat
    dieser Raum für mich etwas sehr Herz öffnendes, steht für so Einiges im Yoga, eine
    Weite, ein Miteinander und es meditiert sich dort einfach sehr gut.

    Autorin:
    Der Boden im Übungsraum ist mit naturfarbenem Teppich ausgelegt. In einem Regal
    liegen Yogamatten und Decken. Mit nackten Füßen schreitet der Yogameister zur
    Fensterfront des Raumes. Die Fenster stammen noch aus den 70er Jahren.
    Entsprechend schwierig lassen sie sich zur Seite schieben. Dann tritt der 48-Jährige
    nach draußen auf den Balkon. Sein Blick geht Richtung Südwesten.

    Atmo:
    Auf dem Balkon

    O-Ton Sukadev:
    Und in die Richtung würde man dann nach Bad Meinberg schauen. Da sieht man so
    einige Häuser von Bad Meinberg. Wenn man noch weiter guckt, sieht man auch noch
    Horn. Was man nicht sieht, sind hinten dran die Externsteine, die eine besondere
    Bedeutung haben, als besonderer Kraftort, wo unsere Gäste auch sehr gern
    hingehen.

    Autorin:
    Das Yogazentrum ist kein abgeschlossener Ort für Aussteiger, sagt Volker Bretz.
    Vielmehr wolle man mit Yogakursen für Einsteiger auch die Einwohner von Horn-Bad
    Meinberg und Umgebung für die indische Gymnastik und vielleicht sogar für ihre
    Philosophie begeistern. Etwa 150 Abendkursteilnehmer kommen nach Auskunft von
    Volker Bretz inzwischen in der Woche ins Yogazentrum am Rand der Stadt. Man
    schotte sich nicht ab.

    O-Ton Sukadev:
    Wir gehören ja zu Bad Meinberg und das ist uns auch sehr wichtig, dass wir keine
    eigenständige Stadt bilden, sondern dass wir Teil dieser Stadt sind.

    MUSIK 4:
    Titel: Across the Universe
    Interpret: The Beatles
    Komponist: John Lennon, Paul McCartney
    Plattenlabel: EMI, LC-Nr. 00542

    Sprecher:
    GANESHA MACHT DEN WEG FREI

    Atmo:
    Auf dem Balkon

    Autorin:
    Blaue Sonnenkollektoren glänzen auf den flacheren Dächern des
    Gebäudekomplexes in der Sonne. Das hier ist ein sehr energieintensiver Kasten,
    sagt Volker Bretz. Wärmedämmung und Energiebilanz verharren zum großen Teil
    immer noch auf dem Niveau der 70er Jahre. Schritt für Schritt sollen die Fenster
    jedoch fit gemacht werden für die Zukunft, sagt der Yogameister, der auch Chef des
    Vereins Yoga Vidya in Deutschland ist. Volker Bretz kennt sich nicht nur mit Yoga
    und indischer Philosophie aus. Er versteht auch etwas von Zahlen. Schließlich
    stammt er aus einer hessischen Unternehmerfamilie. Alle drei Kurkliniken hat er der
    Gemeinde Horn-Bad Meinberg zum Preis von drei sanierten
    Dachgeschosswohnungen in Berlin-Mitte abgekauft. Ein glänzendes Geschäft. Viele
    Details im Yogazentrum erinnern immer noch daran, dass es einmal eine Kurklinik
    war. In den Gästezimmern befindet sich überm Nachttisch ein Schalter mit dem
    Piktogramm einer Krankenschwester. Auch die dunkelbraunen Lesesessel und die
    orangefarbenen Fliesen im Badezimmer stammen aus den 70ern.

    O-Ton Sukadev:
    Es gibt auch keinen Grund es wegzurationalisieren, Reha-Kliniken, Kurkliniken sind
    ja auch was Gutes gewesen. Da ging es ja auch um die Gesundung des Menschen.

    Autorin:
    Aber eben anders.

    O-Ton Sukadev:
    Viele Menschen fangen mit Yoga erst einmal an, weil sie mehr Energie brauchen,
    weil sie Kopfweh und Rückenprobleme haben und in fünf bis 10 Wochen
    regelmäßiger Yogapraxis wird das alles erheblich besser. Aber was einen danach bei
    hält, dass wenn man Yoga übt, dann spürt man was Tieferes und es macht Spaß und
    es macht Freude. Physiotherapie mag auch gut sein. Aber wer macht
    Krankengymnastik für sich nachher weiter. Yoga dagegen macht Spaß, gibt ein
    schönes Gefühl und ich glaube, durch Yoga bekommt man dann überhaupt die
    Energie und die Entspannung sich tieferen Sachen zuzuwenden.

    Atmo:
    Ooom im Siwananda-Saal

    Autorin:
    Er meint die Meditation.

    Atmo:
    Ooom im Siwananda-Saal

    Autorin:
    Wenige Stunden später sitzt Volker Bretz im Schneidersitz unter einer großen
    Fotografie des Yogameisters Swami Sivananda im gleichnamigen Saal im
    Erdgeschoss. Vor den großen Fenstern, die bis zum Boden reichen, wiegen sich die
    Bäume im Frühlingswind. Bald wird es dunkel werden.

    Atmo:
    Mantra

    Autorin:
    Es ist acht Uhr abends, Zeit für die gemeinschaftliche Meditation im Yogazentrum.
    Etwa 120 Männer und Frauen sitzen im Schneidersitz vor dem Yogameister. Viele
    haben sich eine Decke oder einen indischen Schal um die Schultern gelegt. Dann
    schließen sie die Augen.

    Atmo:
    Im Sivananda Saal

    Autorin:
    Volker Bretz – Sukadev – spricht mit ruhiger Stimme, sagt zum Beispiel, dass eine
    gerade aufgerichtete Wirbelsäule die Energie besser durch den Körper fließen lasse.
    Der 48-Jährige, der seine Augen ebenfalls geschlossen hält, redet über
    Konzentration und Ruhe. Auf einen Punkt im Körper möge man sich konzentrieren –
    auf den Punkt zwischen den Augen vielleicht. Dann folgt bewegungslose Stille.
    Niemand wackelt mit den Schultern, streicht Haare aus dem Gesicht oder spielt mit
    den Fingern. Es bleibt bei dieser bewegungslosen Stille – zwanzig Minuten lang.

    Atmo:
    Im Sivananda Saal

    O-Ton Sukadev:
    Mantrasingen, Jaya Ganesha, Seite zwölf.

    Autorin:
    Dann kommen noch mehr Menschen barfüßig in dem Raum.

    Atmo:
    Mantrasingen

    Autorin:
    Die Yogis singen von Ganesha, dem elefantenköpfigen Gott, der den Weg frei macht.

    Atmo:
    Mantrasingen

    Autorin:
    Ganesha, Shiva, Durga, Saraswati – Götter hin oder her, Yoga sei keine Religion,
    sondern eine Philosophie, wird Volker Bretz sich später beeilen klarzustellen.

    O-Ton Sukadev:
    Es gibt kein Glaubensbekenntnis im Yoga und es gibt auch nicht, dass man
    irgendetwas machen muss. In unseren Satsangs morgens und abends werden
    Mantras gesungen. Keiner von uns würde sagen, dass wir hinduistischen Göttern
    huldigen. Wir sehen es eher als Energieschwingungen, die da sind. Die Namen sind
    ja eigentlich, zum Beispiel Shiva das heißt Liebe und Güte, ein anderer Name wäre
    Vishnu, der überall ist – das sind eher Worte, die sich darauf beziehen, dass wir
    liebevoll miteinander umgehen sollen und das wir erkennen, dass hinter allem
    schließlich das Ganze steckt.

    Atmo:
    Mantrasingen

    Autorin:
    Jetzt sitzt niemand mehr still.

    Regie:
    Mantrasingen noch einmal hoch ziehen, dann lange Blende in die folgende Atmo

    Sprecher:
    VEGANES EIS & GERTREIDEMILCHKAFFEE

    Atmo:
    Im Eiscafe

    Autorin:
    Ein tiefer Zug zur rechten Zeit schafft Ruhe und Behaglichkeit. Dieser Satz steht auf
    den gläsernen Aschenbechern, die in der Eisdiele von Bad Meinberg auf den
    Tischen stehen.

    O-Ton Josè da Silva 4.47
    Von Bad Meinberg, habe ich sehr viele Gäste, von Umgebung: Horn, … von
    Blomberg habe ich viele Gäste und natürlich von Yoga habe ich sehr, sehr viel. Die
    sind täglich hier bei mir.

    Autorin:
    Josè da Silva ist Portugiese und hat das Eiscafè seinem italienischen Vorgänger im
    vergangenen Jahr abgekauft. Der große, kräftige Mann trägt Dreitagebart, die kurzen
    Haare hat er durch Gel in Form gebracht. Auf die Yogis im Ort hat er sich eingestellt,
    sagt Jose, während er das Angebot in der Vitrine prüft. Er verkauft veganes Eis. Eis
    ohne Milch.

    O-Ton Josè da Silva:
    Mit Rohrzucker – nicht der normale weiße Zucker, mit Sojamilch ohne tierische
    Produkte.

    Autorin:
    Vom Yogazentrum braucht man zu Fuß etwa zwanzig Minuten bis zur Eisdiele
    Dolomiti. Durch den Wald hinterm Klinikkomplex, vorbei an einem Wohnmobilhafen,
    dann links am Teich entlang, durch den Kurpark hindurch, die Straße hinauf, dann
    rechts in die Krumme Straße.

    Atmo:
    Im Eiscafe

    Autorin:
    Während Josè da Silva für zwei Teenager Eiskugeln in eine Waffel drückt, macht er
    zwei Rentnerinnen, die draußen in der Sonne sitzen Komplimente. Sie haben ihre
    Gehwagen in Reichweite geparkt und ziehen genüsslich an ihren extra dünnen
    Zigaretten. Josè da Silva strahlt. Ich freue mich über jeden Gast, sagt der
    Eisverkäufer. Wenn Gäste aus dem Yogazentrum kommen, erkennt er das sofort,
    behauptet Josè, noch bevor sie ihre Bestellung abgegeben haben. Die Gesichtszüge
    der Yogis seien irgendwie entspannter als andere. Die indische Gymnastik, die dafür
    verantwortlich sein soll, hat er bislang nur zwischen den Tischen in seinem Cafè
    geübt. Unter Anleitung der Gäste aus dem Yogazentrum.

    O-Ton Josè da Silva:
    Hier in meinem Eiscafè ja! Da bin ich neugierig und frage nach und sie zeigen mir
    und das habe ich versucht. Natürlich bin ich kein Profi. Aber kommt Zeit, kommt Rat.

    Autorin:
    Gewerbetreibende wie Josè da Silva, die sich auf die Bedürfnisse der Yogis aus der
    alten Kurklinik einstellen, wünscht sich Bürgermeister Eberhard Block noch mehr.
    Andererseits haben die Bewohner des Yogazentrums auch dort alles, was sie
    brauchen. Sie werden voll verpflegt, in einem kleinen Shop in der Lobby, aus dem
    ein paar Stunden am Tag Shanti-Hits dringen, werden Räucherstäbchen und weite
    Pluderhosen verkauft. Außerdem Massageöle, biologisch abbaubare Seifen,
    Biografien von Yogameistern und Ratgeber für gesunde Ernährung.

    MUSIK 5:
    Titel: Jamuna Tira Vihary
    Interpret: Janin Devi
    Komponist: trad.
    Plattenlabel und LC-Nr. nicht bekannt
    http://www.schmitterling.de

    Sprecher:
    KAY AUS DER KÜCHE

    Atmo:
    Küchenmaschine

    O-Ton Kay
    Das ist Seidentofu, den püriere ich und dann gibt es einen veganen Nachtisch. Das
    bekommt eine Puddingkonsistenz. Das kommt noch ein bisschen Vanille rein,
    Kardamom, Agaven-Dicksaft zum süßen. Mit Erdbeeren, Blaubeeren, Banane.

    Autorin:
    Kay gehört zum Küchenteam im Yogazentrum Bad Meinberg. Veganer, die es im
    Yogazentrum auch gibt, so erklärt er, verzichten nicht nur auf Fleisch, sondern auch
    auf Milch, Eier und Käse. Jetzt kümmert sich der 29-Jährige um den Mittagstisch. Er
    ist groß und schlank, trägt ein sonnengelbes T-Shirt. Zweimal am Tag bauen er und
    seine Kollegen ein riesiges Vollwertkost-Büffet im Speisesaal der alten Kurklinik auf.
    Um elf Uhr morgens und um sechs Uhr abends.

    O-Ton Kay
    Ich wohne hier, bin fester Sevaka und bleib hier auch noch eine Weile.

    Autorin:
    Seit einem Jahr lebt und arbeitet Kay jetzt schon im Yogazentrum.

    O-Ton Kay
    Ich jobbe schon lange als Koch. Deswegen bin ich hier in der Küche gelandet. Ich
    war vorher schon bei einem vegetarischen Cateringservice in Bielefeld. Kochen ist
    meine Leidenschaft und ich habe immer eine Küche gesucht, wo ich vegetarisch,
    vegan kochen kann und vor allem Bioprodukte benutzen kann. Und dann habe ich
    die hier gefunden.

    Autorin:
    Kay will jetzt Yogalehrer werden. Neben dem Job in der Küche macht er die
    Yogalehrerausbildung. Da er sie nebenbei absolviert, wird es drei Jahre dauern bis er
    damit fertig ist.

    O-Ton Kay
    Ich kann mein Yoga machen. Morgens und nachmittags habe ich meine sechs
    Stunden Arbeit oder sieben. Für mich als Koch ist das nichts, im letzten Betrieb habe
    ich zehn Stunden gearbeitet.

    Autorin:
    Kay gehört wie Marion, die Yogalehrerin, zu den 120 Sevakas im Haus, die sich
    um alles kümmern. 300 Euro Taschengeld bekommt er dafür im Monat, Kost und
    Logis sind frei.

    O-Ton Kay
    Alle Sevaka haben ein Einzelzimmer, das ist ein altes Kur-Apartment mit Dusche
    und jeder Flur hat auch eine Küche. Das heißt als Sevaka kann ich auch
    entscheiden, ob ich jetzt hier am Büfett teilnehme oder selber koche. Wenn einfach
    die Gästezahlen jetzt mit 400 doch sehr hoch sind, dann kann ich mich auch
    zurückziehen.

    Autorin:
    Eigentlich hat er mal Umweltwissenschaften studiert aber richtig sicher, was er aus
    seinem Leben machen will, sei er erst jetzt. Der 29-Jährige, der auch ein kleines Kind
    in Bielefeld hat, sagt von sich selbst, dass er lange auf der Suche war. Viele der
    Yogis, die sich in der alten Kurklinik gemeinschaftlich dehnen, teilen diese Erfahrung.
    Sie sind auf der Suche nach dem Glück.

    O-Ton Kay
    Alle wollen dieses Wort erfahren können in ihrem Leben. Ich denke, es gibt
    unterschiedliche Ansätze, weshalb man hier herkommt. Es gibt einige Leute, die
    wollen einfach einen bewussten, trainierten Körper haben, dann wirklich einmal aus
    seinem Alltag auszubrechen. Man kann Leuten vielleicht auch ganz anders
    begegnen als jetzt in der Firma oder im Familienumfeld. Man hat immer bestimmte
    Rollen im Leben, die man spielt: der Chef, der Angestellte, der Vater der Sohn und
    hier ist man einfach jemand, der Yoga macht.

    Atmo:
    Küche

    Autorin:
    Dass in der Küche aber auch einer das Sagen hat, stört Kay nicht. Yoga hat er zum
    ersten Mal in Bad Meinberg geübt.

    O-Ton Kay
    Es hat mich einfach interessiert mein Körpergefühl aufzubauen, eine Basis zu
    schaffen für meine Gesundheit. Wenn man regelmäßig eine leichte Art der Dehnung
    macht, jeden Tag in seinen Körper reinfühlt, zeitig aufsteht, dann bekommt man eben
    ein gutes Lebensgefühl. Ich bin präsenter, ich habe keine Gefühlsschwankungen. Ich
    bin ausgeglichen, ich bin fröhlich, nehm die Sachen, wie es kommt.

    Autorin:
    Im Yogazentrum gibt es wenig Zeitungen, Radios und kaum ein Fernseher.

    O-Ton Kay
    Wenn man sich bewusst davon verabschiedet, dann ist es nicht schlimm. Ich habe
    mich vorher sehr viel politisch beschäftigt, mit dem Weltgeschehen, und dann
    brauchte ich einen Ort der Ruhe. Ich war lange auf Teneriffa, bin dort
    umhergewandert und da habe ich es mir abgewöhnt Nachrichten zu hören, mich zu
    informieren. Und wichtige Sachen, wie das jetzt, was in Japan passiert, das erreicht
    einen ja immer. Wenn man mit Menschen zu tun hat, dann erreichen einen auch
    immer Nachrichten.

    Autorin:
    Dass der Tempel, in dem er jetzt lebt, Yoga übt und arbeitet nicht in Indien oder
    Thailand steht, findet er nicht kurios, sondern vor allem praktisch. Schließlich lebt
    sein Kind in Bielefeld. Mit dem Zug ist er in einer guten halben Stunde dort.

    O-Ton Kay
    Vielleicht ist es für manch einen sogar besser, nicht immer eine große Reise zu
    machen und vor sich selbst zu fliehen, sondern in ein Zentrum zu gehen, wo man
    doch in einem westlichen Rahmen, einem westlichen Standard andersartige Kultur
    erleben kann und sich hineindenken kann.

    Autorin:
    Drei Jahre will er bleiben. Was danach kommt, ist weit weg.

    Atmo:
    Küchenmaschine

    Sprecher:
    YOGA MIT MARION – IN SAVASANA

    O-Ton Marion:
    Und ganz langsam könnt ihr Euch dann in Savasana in die Rückenlage legen und
    nachspüren und entspannen.

    Autorin:
    Zurück im Durga-Raum. Marions Yogastunde ist fast zu Ende. Die Gesichter der
    Yogis sehen gut durchblutet und sorglos aus. Wie Mumien in weiße Decken
    eingewickelt liegen sie jetzt mit ausgestreckten Beinen auf dem Boden. Der Atem
    wird flacher und flacher.

    O-Ton Marion:
    Und während der kurzen Entspannungsphase achtet darauf, wie es dem Rücken
    geht. Und wenn ihr die Beine ausgestreckt habt, öffnet sie hüft- oder mattenbreit.
    Nehmt so Euren Atem wahr. Spürt Euren Körper.

    Autorin:
    Marion verdunkelt den Raum, bleibt vor ihren Schülern sitzen und wartet.

    O-Ton Marion:
    Ich finde es toll und wichtig, dass immer Menschen Yoga üben. Jeder geht seinen
    Weg. Wenn jemand Yoga sieht als Körperübung, dann ist das auch gut, aber dann
    hat er trotzdem schon den Weg zu Yoga gefunden. Ich glaube doch bei den meisten,
    früher oder später hat man das Interesse, möchte wissen, was steckt dahinter,
    welche Philosophie. Und dann kommt man tiefer rein und dann passiert es eben
    auch das man überlegt, welche Ernährung ist für mich wichtig, warum? Die Fragen
    kommen automatisch, wenn man eine Weile Yoga übt.

    Autorin:
    Dann rekeln und strecken sich die Mumien wieder, richten sich auf zum
    Schneidersitz.

    O-Ton Marion:
    Mache den Sitz fest und stabil und angenehm. Schließe Deine Augen. Spüre Deinen
    ganzen Körper, von den Zehen bis zum Scheitel, von der linken bis zur rechten
    Hand. Und wir atmen gemeinsam tief ein. Ohmmmm…..Lokah Samastah…

    MUSIK 6:
    Titel: Lokaka
    Interpret: Wah!
    Komponist: Wah!
    Plattenlabel: BMF, ohne LC-Nr.

    Sprecher:
    Die Invasion der Yogis.
    Im nordrhein-westfälischen Bad Meinberg befindet sich Europas größtes
    Yogazentrum.
    Sie hörten eine Deutschlandrundfahrt mit Mandy Schielke.
    Ton: Alexander Brennecke
    Regie: Roswitha Graf
    Redaktion: Ulf Dammann

    ENDE

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